Fünf Bremer Kammern reichen gemeinsam Klage im Rahmen eines Normenkontrollantrages zur Ausbildungsabgabe ein

Die Arbeitgeberseite der Handwerkskammer Bremen, die IHK für Bremen und Bremerhaven, die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Bremen, die Apothekerkammer Bremen und die Zahnärztekammer Bremen haben heute eine gemeinsame Klage im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegen das Gesetz zur Errichtung des Ausbildungsunterstützungs-fonds im Land Bremen beim Staatsgerichtshof Bremen eingereicht. Das ist in der Geschichte der Kammern einmalig.

Die fünf antragsstellenden Kammern äußern in ihrer Klage schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausbildungsfonds. Die Klage wurde von der Bremer Rechtsanwältin und Notarin Dr. Claudia Nottbusch verfasst und stützt sich auch auf ein Gutachten des Berliner Verfassungsrechtlers Prof. Dr. Christian Waldhoff (Humboldt-Universität). Das Gutachten attestierte bereits dem Gesetzesentwurf und dem von der Bürgerschaft am 23. März 2023 verabschiedeten Gesetz schwerwiegende verfassungsrechtliche Mängel. Die Ablehnung der Ausbildungsabgabe hatten eine Vielzahl von Vertreterinnen und Vertretern aus der bremischen Wirtschaft sowie rund 30 Kammern und Verbände seit mehr als anderthalb Jahren deutlich zum Ausdruck gebracht.

 Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht sagte zur Einleitung des Normenkontrollverfahrens: „Die Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven steht weiterhin geschlossen in ihrer Ablehnung gegen den Ausbildungsfonds. Der Fonds wird die Bürokratie und die Arbeitskosten in unserem Bundesland erhöhen, den Standort schwächen und nicht zur Verbesserung auf dem Ausbildungsmarkt beitragen. Aus diesem Grund haben wir heute eine Klage im Rahmen eines Normenkontrollantrages beim Staatsgerichtshof Bremen eingereicht. Dies ist ein Schritt, die Konformität des Gesetzes mit der bremischen Landesverfassung prüfen zu lassen, der uns als öffentlich-rechtlichen Körperschaften möglich ist.“

Bremische Unternehmen wollen ausbilden und bieten eine Vielzahl an Ausbildungsplätzen für junge Menschen. Es falle den Unternehmen aber zunehmend schwerer, die angebotenen Plätze auch zu besetzen, sagte Präses Eduard Dubbers-Albrecht und betonte: „Die Idee, politisch etwas für die Ausbildung zu tun, ist richtig. Aber als einziges Bundesland ein Landesgesetz zur Einführung einer Ausbildungsabgabe zu beschließen, ist inhaltlich falsch, in der Umsetzung bürokratisch und rechtlich unseres Erachtens nicht haltbar.“ Viel sinnvoller sei es, die bereits lange bestehenden Maßnahmen der Jugendberufsagentur und weiterer Anbieter wo nötig zu optimieren und die Berufsorientierung zu stärken, so der Handelskammer-Präses. 

Mit Blick auf die juristischen Aspekte des Normenkontrollantrages sagte Handelskammer- Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger: „Nach Einschätzung der Juristen werden unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen mit der Erhebung der Ausbildungsumlage verletzt. Dazu gehören verfassungsrechtliche Probleme der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes Bremen und der mangelnden Verhältnismäßigkeit der vorgesehenen Maßnahme. Ebenso geht unser Antrag von einem verletzten Gleichbehandlungsgebot aus und einem massiven Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Freiheiten von Gewerbetreibenden und Betrieben. Daher beantragen wir, das Gesetz für nichtig zu erklären.“ Die Erhebung einer Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion könne nur unter bestimmten – sehr engen – Voraussetzungen erfolgen, die das kurz vor den Bürgerschaftswahlen verabschiedete Gesetz nicht erfülle, sagte Dr. Matthias Fonger: „Eine der Voraussetzungen ist die gruppennützige Verwendung, die nicht gewährleistet ist. Diese ist notwendig, um eine Verknüpfung zwischen den Belastungen und den Begünstigungen herzustellen und dadurch die zusätzliche Belastung der betroffenen Unternehmen über bestehende Steuern hinaus zu rechtfertigen.“ 

Der Hauptgeschäftsführer betonte: „Die Unternehmen verantworten den betrieblichen Teil der dualen Ausbildung. Der Fachkräftemangel wird aber durch eine Vielzahl von Faktoren hervorgerufen, wie zum Beispiel den demographischen Wandel oder die Qualität der schulischen Bildung. Für diese Bereiche können die Unternehmen nicht in die Finanzierungsverantwortung genommen werden.“ 

Überdies werde die von einem Gesetz zu erwartende Berücksichtigung des Bestimmtheitsgebots und des Gesetzesvorbehaltes nicht beachtet. Stattdessen werden wichtige Entscheidungen unzulässigerweise in Rechtsverordnungen delegiert, so Dr. Matthias Fonger.

Thomas Kurzke, Präses der Handwerkskammer Bremen: „Eine überwältigende Mehrheit der Arbeitgeber im Handwerk lehnt den Ausbildungsfonds entschieden ab. Aus diesem Grund sehen wir uns als Kammer auch dazu verpflichtet, den von der rot-rot-grünen Regierung geplanten Bremer Sonderweg juristisch überprüfen zu lassen. Mit dem Ausbildungsfonds mischt sich die Regierung in ein Gebiet ein, dass nach den bewährten Regeln unserer Volkswirtschaft eindeutig den Tarifparteien überlassen bleiben sollte. Statt einen kostspieligen und bürokratischen Ausbildungsfonds zu schaffen, sollten die vielen bereits vorhandenen Instrumente zur Unterstützung Jugendlicher im Rahmen der 2021 geschlossenen Vereinbarung ‚Ausbildung innovativ‘ von allen daran beteiligten Institutionen auch konsequent und gemeinsam umgesetzt werden. Dazu strecken wir der Regierung gerne unsere Hand entgegen.“ 

Hans Jörg Kossmann, Mitglied der Arbeitgeberseite in der Vollversammlung der Handwerkskammer Bremen, stellt den geplanten Ausbildungsfonds auch sachlich infrage: „Der Fonds geht am Grundproblem auf dem Ausbildungsmarkt völlig vorbei. Es gibt nicht zu wenige Ausbildungsplätze, sondern zu wenige geeignete Bewerberinnen und Bewerber. Daran kann auch das viele Geld, das man mit dem Ausbildungsfonds bei den Betrieben einsammeln will, nichts ändern. Es gibt zahlreiche Handwerksunternehmen, die ihre gesellschaftliche Verantwortung sehr ernst nehmen und dieser nachkommen, zum Beispiel indem sie auch junge Menschen einstellen, die nicht die besten Voraussetzungen für eine Ausbildung mitbringen. Einiges kann während der Ausbildung mit Nachhilfe aufgeholt werden. Aber ein Mindestmaß an Schulbildung und sozialer Kompetenz müssen die Bewerber schon mitbringen, damit sie eine reale Chance auf einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung haben. Leider ist dieses Mindestmaß häufig nicht vorhanden. Wenn Betriebe also keine geeigneten Kandidaten finden und deswegen auch keine Leistungen aus dem Ausbildungsfonds zurückbekommen, werden sie das zu Recht als eine Bestrafung empfinden. Für den Wirtschaftsstandort Bremen wäre das alles andere als gut und würde für schlechte Stimmung sorgen. Statt mit dem Ausbildungsfonds ein weitgehend nutzloses und bürokratisches Monstrum aufzubauen, sollte das Problem an der Wurzel gepackt werden. Wer mehr Jugendliche in die Ausbildung bringen will, darf keinen Ausbildungsfonds schaffen, sondern muss das Bremer Schulsystem verbessern.“